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Kritik vom anonymen Vorkoster

... vom Salzburger Fenster aus dem Jahr 2002

Gut essen zu gehen gehört zweifellos zur Lebensqualität.Salzburg samt Umgebung wuchs zum Schlaraffenland für Feinschmecker heran.

Aber welcher Koch zeigt wirklich Klasse? Ein versierter SF-Mitarbeiter kostet vor. Seine Kritik ist so subjektiv wie jede Theater-Rezension. Er selbst bleibt anonym. Damit es ihm so ergehe, wie jedem Gast: hoffentlich gut.

Wer in die Dorfstub'n von Dienten am Hochkönig einkehrt, kann das Glück haben, Traudi Pabinger kennen zu lernen. Sie ist die Chefin hier. Und wenn Traudi Lust hat, erzählt sie die Geschichte ihrer Suche nach einem Koch.

Vor 13 Jahren sperrte der Gasthof auf und damals setzte sie das erste Inserat in die Zeitung. Der junge Mann, der sich meldete, zeigte ein schönes Zeugnis her und hatte schöne Gehaltsvorstellungen. Traudi ließ ihn eine Bouillon mit Ei kochen und er fragte, wie viel Eier er denn dafür nehmen sollte. Der nächste hatte die Aufgabe bekommen, einen Apfelstrudel zu backen und kam damit einen ganzen Vormittag lang nicht zu Rande - trotz einiger Telefonate mit seiner Mutter.

 

Ein dritter wies das Ansinnen der Essensproduktion sofort zurück. In dem Hotel in Zell am See, in dem er gelernt hatte, verarbeitete man nur Convenience: Beutel mit fertigen Gerichten wurden in heißem Wasser erwärmt; die Kunst bestand darin, nachzuwürzen und anzurichten.

Während nun ein Jungstar nach dem anderen kam und wieder ging, musste ja der Betrieb laufen. Traudi Pabinger entwickelte sich - sozusagen wider Willen - von der Hausfrau zur Profi-Köchin. Durch Ausprobieren, durch Nachlesen, durch Zuschauen bei Kollegen. Und ist verständlicher Weise nicht gut zu sprechen auf jene jungen Leute, die das Kochen hätten lernen dürfen und es nicht hatten lernen wollen.

Solche Geschichten werden gerne am Stammtisch erzählt. Von dem hat man einen guten Blick auf die Theke, hinter der Sohn Wolfgang werkt. Er schupft mit Frau Sonja das Service (und liebt volkstümliche Musik; aber die Lautsprecher sind recht leise eingestellt).

Vater Otto hilft überall aus; er ist gelernter Metzger (was die gute Fleischqualität begründet). Durch die Küchentür kann man einen Blick auf Traudi erhaschen, die dort mit Tochter Maria wirbelt. Beide bereiten oft Extra-Speisen zu, die nicht in der Karte stehen: fragen lohnt.

Die "Dorfstub'n" ist an Stelle eines Stalles errichtet worden und wirkt innen ein wenig wie eine Almhütte mit ihrem vielen Holz. Jede Nische ist liebevoll dekoriert. Man hält auf peinliche Sauberkeit, obwohl hier ständig die Skifahrer in Skischuhen durchdonnern. Sie brauchen nur wenige Minuten von den Skiliften hier her. Die Saison dauert von Anfang Dezember bis Anfang April; in diesen vier Monaten nimmt der Familienbetrieb keinen Ruhetag.

Am Ende des Winters schauen die Pabingers ganz vorsichtig nach draußen, ob die Welt noch steht. Traudi ist also eine gestandene Mama und kocht eine Küche der Mama. Natürlich finden sich auf der Karte auch Dinge wie Toast, Kroketten und Pommes frites - aber deretwegen kommt kein vernünftiger Mensch her. Eher wegen des Beuschels: sehr sauber gearbeitet, gute Balance zwischen frischer Säure und molligem Fleisch und der Knödel scheint darüber zu schweben. Natürlich steht den ganzen Tag eine Rindssuppe auf dem Herd; gut entfettet bildet sie das Bassin für Würstel oder einen würzigen Kaspressknödel.

Sehr gut das Blunz'n Gröstl: die Blutwurst kommt aus Saalfelden, ist "trocken" und intensiv; Traudi schneidet Rindfleisch ganz fein darunter, das nimmt Fett und gibt Würze.

Tadellos die Bärlauch- knödel in Rahmsauce. Das "Schöpsene aus der Rein" schöpft seine Kraft aus einer sehr guten Sauce, attraktiv die mit gebratenen Erdäpfeln. Die Portionen sind groß, man lasse sich dennoch Platz für die Nachspeise.

Der Apfelstrudel gehört zu den besten, die der Vorkoster seit langem aß. Und die Preiselbeer-Palatschinke ist mit unglaublich fruchtbitteren Beeren gefüllt; Traudi sammelt sie selbst im Rauriser Tal.

Wir tranken Bier als Aperitif und einen tadellosen Grünen Veltliner. Wer es schafft, Stammgast zu werden, dem bietet Otto Pabinger sen. vielleicht einen Schwarzbeerbrand an; gelblich-ölig, tiefbeerig ist er allein die Fahrt wert. In der Dorfstub'n zu Dienten wird alles frisch gekocht. Mit Kenntnis, Geschick und Liebe.

12 Punkte vom Vorkoster für die Pinzgauer Mama-Küche. So gut könnte es in allen Wirtshäusern schmecken.

Bewertungskriterien:
Unsere Punktewertung orientiert sich an international üblichen Regeln: 20 Punkte bilden die Höchstwertung. 9 Punkte und darunter: Kost mit groben Mängeln. 10 Punkte: deutliche Mängel. 11 Punkte: durchschnittliche Kost. 12 Punkte: gute Kost. 13 und 14 Punkte (samt einer Haube): sehr gute Kost. 15 und mehr Punkte (samt zwei bis vier Hauben): exzellente Kost, seufzerlösend.

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